Wajeeh ist ein arabischer Vollblut Wallach. Seine Besitzerin S. hat ihn als Remonte gekauft und seine Ausbildung zum Reitpferd durch eine professionelle Bereiterin vornehmen lassen. Sie hat auch selbst reiterisch und an der Longe mit ihm gearbeitet. Da es Probleme beim Reiten gibt (Wajeeh leidet sehr unter Ängsten, scheut viel und lässt sich nicht im Gelände reiten), entschloss sie sich zu einer Tierkommunikation um die Hintergründe und seine Motivation zu erfassen. Es geht von seiten der Besitzer und Züchter auch um die Frage, ob Wajeeh vielleicht einfach „verrückt im Kopf“ ist.
Wajeeh kam mir sehr freundlich und aufgeschlossen entgegen. Er war zwar unsicher und hatte offenbar bis jetzt noch keine Tierkommunikations Erfahrungen gemacht, aber gern bereit mit mir zu sprechen. Ich hatte den Eindruck, dass es sich bei ihm um einen sehr feinfühligen, rangniedrigen, sensiblen Wallach handelt. Er wirkte im Gespräch allerdings stellenweise sehr verschüchtert und ängstlich. Die Kommunikation mit Wajeeh entstand aus verschiedenen „Kanälen“, darunter Bilder, Sätze, Gefühle. Aus diesem Grund ist dieses Gespräch nicht in direkter Rede wieder gegeben sondern zusammengefasst.
Tierkommunikation mit Araber Wajeeh, 7 Jahre alt
Wie geht es dir zurzeit?
Auf diese Frage antwortete er mir, dass er sich in seinem jetzigen Stall recht wohl fühlt. Allerdings vermisst er manchmal auch sein früheres Leben, wo er offenbar etwas mehr Auslauf, Abwechslung und auch einen Freund hatte.
Im Rückblick zeigt er, dass er eine recht unbeschwerte und sorgenfreie Kindheit hatte. In der Jugend muss aber etwas passiert sein, dass ihm sein Selbstwertgefühl genommen hat. Er fühlt sich, als wenn er nicht O.K. wäre, so wie er ist. Seine Feinfühligkeit macht ihm zu schaffen. Er denkt, er sei anders als andere Pferde und hat keine klare Identifikation von sich als Arabisches Vollblut. Es fehlen ihm Vorbilder dazu. Offenbar hatte er in der Jugend viel Kontakt zu anderen Rassen.
Er hat offenbar das Gefühl, dass etwas mit ihm nicht stimmt, weil ihm so Vieles Angst macht. Wajeeh möchte es seinen Menschen sehr gern alles recht machen, aber es gelingt ihm seiner Ansicht nach nicht. Die Enttäuschung, die er bei seiner Besitzerin auslöst, verwirrt ihn zusätzlich, da sie ihm sehr bewusst ist.
Bodyscan
Wajeeh zeigte in dem Bodyscan keine ernsten körperlichen Beschwerden.
Allerdings gab er an, dass er sich beim Reiten schnell verspannt und dann regelmäßig Rücken- und Genickverspannungen bekommt. Davor fürchtet er sich.
Wie kommst du mit deiner Besitzerin S. zurecht? (Wie empfindest du eure Beziehung?)
Wajeeh hängt an seiner Besitzerin und möchte ihr gern gefallen. Nur fürchtet er sich vor ihren Erwartungen beim Reiten und davor, sie ständig zu enttäuschen-
Wie erlebst du das Zusammensein mit den Menschen?
Menschen erlebt er zwiegespalten. Eigentlich mag Wajeeh Menschen und schätzt es, berührt und gestriegelt zu werden. Er hat gern Kontakt zu Menschen und mag (meist) ihren Geruch. Aber er empfindet sie gleichzeitig als fordernd und dann kommt wieder seine Unsicherheit hoch und beherrscht ihn ganz.
Wie fühlst du dich, wenn du geritten wirst?
Wajeeh verspannt sich leicht beim Reiten, da diese Situation ihm meist Stress bereitet und er sehr empfindlich auf Druck reagiert. Dadurch fangen seine Muskeln an zu schmerzen, was wiederum seine Angst verstärkt. Ein Teufelskreis.
Reiten hat Wajeeh bislang offenbar noch nie so ganz positiv erlebt. Ich sehe kein Bild, auf dem er sich entspannt, losgelassen und zufrieden unter dem Reiter zeigt. Stets ein verspannter Gesichtsausdruck, der Versuch, sich dem Zügel nach oben zu entziehen, bzw. hinter dem Zügel zu gehen. Auf die Frage was ihn konkret stört: Er hat Probleme mit Zügelhilfen, mit der Trense in Verbindung zur Reiterhand. Daraus folgt die Verspannung in Hals und Nacken, die sich auf den Rücken erstreckt. Er versteht die Hilfen nicht, hat Angst vor den Erwartungen und fürchtet sich davor, etwas falsch zu machen.
Angst ist zu seinem Hauptproblem geworden. Er kann sich nicht erinnern, wann das angefangen hat. Eigentlich ist er ein menschenfreundlicher, zugewandter Wallach, jedoch endet alles, wenn es ums Reiten geht. Ausreiten ist besonders schwierig, da seine Angst dann auch noch dadurch gesteigert wird, dass er allein (unter dem Reiter) durch unbekannte Natur gehen soll. Ausreiten mit anderen Pferden (vor ihm), würde ihm deutlich besser gefallen, wenn diese Pferde ihn nicht jagen.-
Die Bilder von seiner Ausbildung zeigen eine kühle, professionelle Ausbildung, ohne ersichtliche Gewalteinwirkung. Allerdings nach „Schema F“ in englischer Reitweise*.
Wajeeh fühlt sich offenbar unverstanden und kommt mit den angewendeten (üblichen)Trainingsmethoden nicht zurecht. Selbst wenn diese freundlich gemeint und gewaltfrei sind. Sie wurden von Wajeeh leider nie als angenehm oder akzeptabel empfunden.
Gibt es etwas, das du ändern möchtest?
Wajeeh wünscht sich jemand, der sein Freund und Beschützer ist. Er möchte, dass seine Angst vor dem Reiten aufhört.- Aber er weiß nicht wie das gehen soll. Er wünscht sich, sanft und verständnisvoll behandelt zu werden.
*Anmerkung: In der englischen Grundausbildung kann es (wie auch in anderen Methoden) auch ohne für uns sichtbare Gewalteinwirkungen Details geben, die ein sensibles Pferd nicht verträgt. Typische Beispiele sind ein zu eng verschnallter Sperrriemen oder Sattelgurt, ein drückender Sattel, zu früh oder zu unnachgiebig geforderte Anlehnung, Biegung oder ein Reiten hinter der Senkrechten etc. Allein die Arbeit mit Ausbindern während der Ausbildung kann manche sensible Pferde vollkommen neurotisch machen.
Ein Lösungsansatz: Wenn man sich klar macht, dass Pferde eine Seele haben, kann man jede Form von ausgeübtem Druck auf das Pferd anders betrachten. Druck ist nie ganz gewaltfrei. Mit Druck können auch manche Menschen nicht gut umgehen. Im Reitsport wird insgesamt zuwenig Wert auf das Individuum gelegt, weder bei der Ausbildung von Reitern noch von Pferden. Hier können eine ganzheitlichere, feinfühligere Betrachtungsweise, alternative Ausbildungswege und natürlich Tierkommunikation helfen, eine Lösung für beide Seiten zu finden.
Nachtrag: Zwei Monate später hatte sich Wajeehs Leben vollkommen verändert-. Seine Besitzerin hatte ihn an die Reitbeteiligung verkauft. Diese hatte den sensiblen Wallach in einen Offenstall mit kleinerer Herde gestellt, wo der rangniedrige Wajeeh einen anderen Araberwallach als Freund hat und er ein ruhigeres Leben führen kann. Er wird nun gebisslos und mit Knotenhalfter geritten und es werden neue Trainings- und Reitmethoden angewendet, bei denen weniger Leistungsdruck ausgeübt wird. Das Ergebnis ist erfreulich, der ängstliche Wallach ist zufrieden und ruhig geworden und hat keine Angst mehr vor dem Reiten.